Fluorid, ein wichtiges Element der Kariesprophylaxe
In den letzten 50 Jahren konnte der Kariesbefall in der Schweiz dank intensiver Forschung und flächendeckenden Prophylaxekonzepten enorm reduziert werden. Kariesfreie Zähne sind heute keine Seltenheit mehr, sondern weit verbreitet. Die gezielte Anwendung von Fluorid spielt dabei eine wichtige Rolle.
Was ist Fluorid?
Fluorid ist ein mineralischer Bestandteil der Erdkruste. Es darf nicht mit dem chemischen Element Fluor verwechselt werden, das ein hochreaktives und giftiges Gas ist und in dieser Form natürlicherweise kaum vorkommt. Fluorid hingegen ist, abhängig von der Geologie, in verschiedenen Formen (Gestein, Kristalle, Salze) im Boden und dadurch lokal auch im Trinkwasser vorhanden. Die Verteilung ist weltweit sehr unregelmässig (vgl. Karte), dadurch sind Mangelversorgung bis Überversorgung je nach Aufenthaltsort möglich. Für den menschlichen Organismus kommt dem Fluorid die Rolle eines Spurenelementes zu. Spurenelemente, beispielsweise Eisen, Jod, Zink, Kupfer und weitere, sind sehr wichtig für die verschiedensten Funktionen des Körpers.
Wie wirkt Fluorid?
Durch Trinkwasser oder die Nahrung (fluoridiertes Salz, Krustentiere, Fisch, Schwarztee) im Körper aufgenommenes Fluorid wird in Knochen und bei Kindern in sich entwickelnden Zähnen eingebunden. Ebenso gelangt es über den Speichel wieder in die Mundhöhle. Fluorid steigert die Härte der mineralisierten Grundsubstanz und fördert die Aufnahme von Calcium; dies erhöht auch die Widerstandsfähigkeit gegenüber Demineralisation («Auflösung» durch Säure) .
Direkt in der Mundhöhle, mit Zahnpasta, Mundspülungen oder spezifischen Fluoridgels zugeführtes Fluorid, bleibt im Speichel gelöst und bewirkt nicht nur erhöhte Härte und reduzierte Löslichkeit der Zahnhartsubstanz, es steigert zusätzlich die Pufferwirkung des Speichels und begünstigt beim Angriff von Säuren die Remineralisation aufgeweichter Stellen.
Bei einer Mangelversorgung mit Fluorid ist durch «weichere», anfälligere Zahnsubstanz die Wahrscheinlichkeit für Karies stark erhöht, auch Härte und Entwicklung der Knochen können negativ beeinflusst werden.
Im Falle einer Überversorgung mit Fluorid entsteht sogenannte Zahnfluorose. In leichten Fällen zeigen sich oberflächliche weisse Flecke, Wolken oder Linien. Bei schwererer Ausprägung können diese Schmelzflecke auch tiefer gehen, bräunlich-gelblich gefärbt sein und die Zahnsubstanz schwächen. Schwere Fälle durch langjährige übermässige Fluoridaufnahme können auch den Knochenbau betreffen.
Wie soll Fluorid eingesetzt werden?
In der Schweiz ist die Fluoridkonzentration im Trinkwasser (s. Karte) sehr gering. Auch die Aufnahme über die Nahrung (Meeresfrüchte, etc.) ist vernachlässigbar, deshalb besteht im Gegensatz zu anderen geografischen Lagen keine Gefahr durch übermässige «natürliche» Aufnahme, im Gegenteil, es sind Mangelerscheinungen wahrscheinlich.
Für Fluoride besteht, wie für viele Spurenelemente oder Vitamine, eine relativ schmale Dosisbreite. Die Aufnahme über Trinkwasser, Nahrung und Nahrungsergänzung (fluoridiertes Speisesalz, Fluoridtabletten etc.) oder Mundpflegeprodukte (Rückstände nach dem Ausspucken) sollte bei ca. 0.05mg pro kg Körpergewicht liegen Ideal wäre deshalb eine totale tägliche Aufnahme von ca. 1mg für ein Kind (20kg) und ca. 3-4mg für Erwachsene (60-80kg). Mit den aktuellen Empfehlungen soll dies erreicht werden.
Um eine minimale «Grundversorgung» des Körpers sicherzustellen, wird die Verwendung des grün markierten, mit 25mg/kg Jod und 250mg/kg Fluorid angereicherten Speisesalzes empfohlen. Ergänzend dazu sollte, alters- und risikoabhängig, die lokale Kariesprophylaxe mit fluoridhaltigen, spezifischen Mundpflegeprodukten erfolgen. Hierbei gelangen situativ stark unterschiedliche Fluoridkonzentrationen (200ppm – 12500ppm resp. 0.02%-1,25%) und auch verschiedene Fluoridverbindungen (je nach therapeutischer Zielsetzung) zum Einsatz.
Aktuelle Anwendungsempfehlungen für Mundpflegeprodukte (vgl. Schema):
Für Kinder ist ab dem Durchbrechen des ersten Zahnes bis 2 Jahre täglich die einmalige Anwendung einer Kinderzahnpasta «KIDS» mit 500ppm Fluorid vorgesehen, ab 2 Jahren die zweimalige Anwendung. Ab dem Durchbruch des ersten bleibenden Zahnes mit ca. 5-6 Jahren sollte zwei- dreimal täglich eine Juniorzahnpasta mit 1450ppm Fluorid oder bereits eine Erwachsenenzahnpasta mit 1450ppm Fluorid eingesetzt werden.
Bei Kindern mit erhöhtem Kariesrisiko (bestehende Karies, Schmelzanomalien, tiefe Grübchen, Nischen, Inhalieren etc.) sollten zusätzliche Massnahmen erfolgen. Mit früherem Einsatz der Juniorzahnpasta (1450ppm, täglich), Spüllösungen (300ppm, täglich), Gelée (12500ppm, lokal oder wöchentlich) oder auch professioneller Applikation von Fluoridlack können die Risiken reduziert werden.
Für Erwachsene ist die zwei – bis dreimalige Anwendung einer fluoridierten Erwachsenenzahnpasta mit 1450ppm als Grundprophylaxe empfohlen. Sie soll, bei bestehenden Risiken, mit Spüllösungen (200-300ppm, täglich) oder Fluoridgelée (12500ppm, lokal oder wöchentlich) ergänzt werden. Für besonders hohe Risiken (Mundtrockenheit, Wurzelkaries, eingeschränkte Hygienefähigkeit etc.) kann zudem eine hochfluoridhaltige, verschreibungspflichtige Zahnpasta mit 5000ppm Fluorid eingesetzt werden.
geschrieben am 05.02.2024 durch Dr. med. dent. Simon Stahel